Datenschutz
Datenrisiko Whatsapp: Bund plant eine eigene App für Kurznachrichten

Selbst Datenschützer streiten über den Messenger, und die Bundesverwaltung erhält eine eigene App.

Othmar von Matt
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Doris Leuthard nutzt Whatsapp, aber nur unter Freunden und Bekannten.A.

Doris Leuthard nutzt Whatsapp, aber nur unter Freunden und Bekannten.A.

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Soll man den Messenger Whatsapp benutzen oder nicht? Selbst die Datenschützer sind sich darin nicht einig.

Adrian Lobsiger, Eidgenössischer Datenschützer, gestand in der «NZZ», er nutze Whatsapp privat, weil sein Umfeld das tue. «Ich wollte sensibilisieren, dass sich alle in einer Art ‹Geiselhaft› befinden mit Apps wie Whatsapp», sagt er. «Selbst ich als Datenschützer.» Bruno Baeriswyl hingegen, Zürcher Datenschützer, geht keine Kompromisse ein: «Ich nutze keine Messengerdienste, ausser klassische SMS.» Lobsigers Dilemma kann er nicht nachvollziehen: «Es gibt kein Dilemma. Mit dem Gebrauch von Whatsapp verletze ich die Rechte der Personen in meinem Kontaktverzeichnis, die Whatsapp oder Facebook nicht nutzen.» Baeriswyl schreibt im «Datenschutzlexikon Volksschule», die Whatsapp-Nutzung durch Lehrpersonen sei «nicht rechtmässig». Durch das Herunterladen der App würden alle Kontaktdaten in die USA weitergeleitet. Dafür seien Bewilligungen nötig, die kaum jemand einhole.

Die Situation hat sich verschärft, seit Whatsapp die Geschäftsbedingungen angepasst hat: Wer den Messenger weiter nutzen möchte, muss bis Ende Juni einwilligen, dass alle Kontakte an Facebook weitergegeben werden dürfen.

In der Bundesverwaltung ist man sich der Problematik bewusst. Whatsapp ist auf Diensthandys für den privaten Gebrauch erlaubt. Geschäftsdaten dürfen aber «nur in einer speziell verschlüsselten Anwendung» auf Smartphones gespeichert werden, betont Sonja Uhlmann-Haenni, Sprecherin des Bundesamts für Informatik und Telekommunikation (BIT). Es ist das Mobile- Device-Management, das die Kontakte in einem speziell gesicherten Gefäss speichert, der «Sandbox». «Dank ihr sind Daten geschützt vor einem Abfluss an Hersteller, andere App-Betreiber oder Hacker», sagt Agnès Schenker, Co-Informationschefin des Justizdepartements (EJPD). «Damit hat Whatsapp keinen Zugriff auf diese Daten.»

Recherchen in den Departementen zeigen: Whatsapp wird vor allem im Wirtschafts- (WBF) und Aussendepartement (EDA) auch geschäftlich genutzt. In beiden Departementen soll es Gruppenchats geben, teilweise gar gemischt zwischen WBF und EDA. Der Messenger werde im WBF «zu geschäftlichen Zwecken nicht systematisch genutzt», betont Sprecherin Irène Harnischberg. Er komme vereinzelt zur Anwendung wie etwa am WEF. Dort konnten sich Schweizer Journalisten in einer Whatsapp-Gruppe über Medientermine des WBF informieren lassen. Im EDA komme es vor, dass Mitarbeiter Whatsapp während Veranstaltungen «für organisatorische Aspekte» benutzten, sagt Sprecherin Noémie Charton. Wie Harnischberg betont auch sie, dass keinerlei vertrauliche Informationen über Whatsapp ausgetauscht würden.

Im EJPD nutzt der Informationsdienst den Schweizer Messenger Threema für organisatorische Absprachen. Gar kein Thema ist Whatsapp im VBS. Dort ist die Funkunterstützungsbasis (FUB) für die Kommunikation zuständig. «Ihre Sicherheitseinstellungen erlauben es nicht, Whatsapp auf dem Diensthandy herunterzuladen», sagt Sprecher Renato Kalbermatten.

Es gibt auch zwei Bundesräte, die Whatsapp nutzen: Aussenminister Ignazio Cassis und Verkehrsministerin Doris Leuthard. Cassis «zu privaten Zwecken», sagt Sprecherin Charton. Und Doris Leuthard nutze Whatsapp für die Kommunikation unter Freunden und Bekannten, sagen Kenner.

Kommt bald ein Verbot?

Ob sich Whatsapp noch lange auf Bundes-Diensthandys benutzen lässt, ist fraglich. Das Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) plant eine deutliche Verschärfung der Regeln. «Sie betreffen den richtigen Umgang der Kommunikation von klassifiziertem Inhalt mit Dienst-Smartphones und deren Einstellungen», sagt Gisela Kipfer, Sprecherin des ISB. Whatsapp sei heute davon nicht betroffen, da es «keinen dienstlichen Zweck» erfülle. Der Bund beobachtet aber sehr genau, wie sich die Datenabflüsse durch Applikationen entwickeln. Kipfer: «Er behält sich vor, sicherheitskritische Applikationen auf Dienst-Smartphones zu verbieten.»

Schon im Herbst will der Bund eine eigene Messenger-App in Betrieb nehmen. Sie soll eine vollständig verschlüsselte Kommunikation in der Bundesverwaltung ermöglichen. Das beinhaltet Sprache (Telefone, Sprachmitteilungen) und Daten (Chats, Dateiübertragungen). Sie soll allen Mitarbeitern der Bundesverwaltung offenstehen, die über ein Dienst-Smartphone verfügen, das zentral verwaltet wird. Das ISB will «aus Sicherheitsgründen» keine Auskunft geben, wer die App entwickelt hat und wie viel sie kostet. Die App ist als «sichere Ergänzung» zu Skype for Business gedacht, sagt Kipfer.

Auch Datenschützer Lobsiger hat Vorkehrungen getroffen. «In meiner privaten Adressdatei, die Whatsapp zugänglich ist, habe ich nur Personen aus dem engsten Freundes- und Familienkreis», sagt er. Sie hätten eingewilligt, dass er die Daten weitergebe. Auf einen «riesigen Datenfriedhof» mit hunderten von Kontaktdaten könne Whatsapp bei ihm nicht zugreifen.